Was bringt KI für Mittelständler?
Für den Mittelstand versprechen KI-basierte Anwendungen ein enormes Potenzial: Durch die intelligente Nutzung und Verknüpfung von Daten lassen sich unternehmerische Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette optimieren – von der Eingangslogistik bis hin zum Kundendienst. Zudem ermöglichen es KI-Methoden, Produkte und Dienstleistungen den individuellen Wünschen von Kundinnen und Kunden anzupassen. Sie bilden damit die Grundlage für neue, KI-basierte Geschäftsmodelle.
Potenziale entlang der Wertschöpfungskette
Große Potenziale sehen KI-Expertinnen und -Experten für Mittelständler insbesondere in den Bereichen Logistik, Vertrieb und Produktion, Einkauf und Kundenmanagement. Als vielversprechende Anwendungen gelten intelligente Sensorik sowie Assistenzsysteme. Vom kleinen Servicetool im Marketing über die KI-basierte Optimierung substanzieller Fertigungsprozesse und die Schaffung neuer Geschäftsmodelle – die Potenziale sind je nach Wertschöpfungstiefe unterschiedlich.
Für die Zukunft des deutschen Mittelstands sind KI-Technologien wettbewerbsrelevant, da sie Innovationen und höhere Gewinne bei gleichem Umsatz ermöglichen. Gleichzeitig erhöht KI aber nicht unmittelbar die Produktivität in den Unternehmen: Bei der Einführung neuer KI-Anwendungen müssen sich Abläufe oftmals erst einspielen. Gerade mittelständische Unternehmen müssen das in ihren Investitionsplänen berücksichtigen. Und: Die Einführung von KI erfordert besondere Schlüsselkompetenzen, die gezielt aufgebaut werden müssen.
Mittelständler zeigen sich beim Einsatz von KI-Systemen bisher zurückhaltend. Lediglich knapp sechs Prozent der KMU in Deutschland setzen KI-Technologien bereits in allen Geschäftsbereichen ein. Dabei handelt es sich insbesondere um größere, bereits stärker digitalisierte Mittelständler. Das zeigt eine 2020 veröffentlichte Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) und des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Berlin. Knapp 30 Prozent der befragten KMU nutzen KI-Technologien danach in einzelnen Projekten, rund 25 Prozent haben es vor. Rund 40 Prozent der Mittelständler indessen nutzen aktuell weder KI-Technologien noch planen sie deren Einsatz. Insbesondere kleinere Unternehmen erkennen häufig noch nicht den Nutzen, den KI-basierte Lösungen für ihren Betrieb versprechen; konkrete Anwendungsfälle sind ihnen oft nicht bekannt.
Fokus: KI in der Produktion
KI in der industriellen Wertschöpfung
Insbesondere produzierenden Mittelständlern ist oft nicht bewusst, über welche Datenschätze sie verfügen – und wie sich diese durch Methoden der Künstlichen Intelligenz heben lassen. Die industrielle Wertschöpfungskette umfasst den gesamten Prozess rund um ein Produkt – von der Idee über die Gewinnung und Verarbeitung der notwendigen Rohstoffe, die Lieferung der Produktmaterialien und Komponenten bis hin zur Herstellung des Produkts und dem damit verbundenen Marketing, Vertrieb, Kundenservice und Recycling. In jedem einzelnen Wertschöpfungsschritt können KI-basierte Lösungen unterstützen. Sie können helfen, Ideen zu generieren, Ressourcen und Produktionsmaterialien einzusparen, defekte Produkte zu recyceln oder den Energieverbrauch zu senken. Wie das funktioniert, erläutern die folgenden Schaubilder.
Beim so genannten generativen Design können mithilfe von KI-Methoden in kürzester Zeit eine Vielzahl von unterschiedlichen Designs und Konstruktionsvarianten erprobt werden. Im nachfolgenden Schaubild gibt ein Team von Designern einem KI-Programm die gewünschten Parameter eines Produkts vor – etwa Material, Maße und Gewicht. Die KI kombiniert die Parameter und spielt innerhalb weniger Minuten verschiedene Gestaltungsvorschläge und Entwürfe aus. Welche Vorschläge weiterverfolgt, getestet und produziert werden sollen, entscheidet das Designer-Team.
KI-gestützte digitale Assistenten sind bereits seit einigen Jahren in unserem Alltag präsent – sei es in Smartphones oder in Form von intelligenten Lautsprechern in vielen Haushalten. Auch in der Industrie können intelligente Assistenz-Systeme die Beschäftigten wirksam bei ihren Tätigkeiten unterstützen. Das nachfolgende Schaubild zeigt den realen Anwendungsfall eines mittelständischen Unternehmens, das gemeinsam mit Forschungspartnern einen KI-basierten Assistenten entwickelt hat. Dieser ist in der Lage, von einzelnen Beschäftigten zu lernen und anderen Kolleginnen und Kollegen bei Bedarf die benötigten Informationen zu liefern.
Die Logistik von Waren ist ein komplexes System. KI-Verfahren können dabei helfen, kurzfristige Kundenbestellungen und Stornierungen in Echtzeit zu erfassen, Fahrten zu optimieren und innerhalb kürzester Zeit neue Transportrouten zu ermitteln. So kann die Kundschaft mit pünktlichen Lieferungen rechnen, Transportunternehmen sparen Zeit und Geld.
Ein hoher Energieverbrauch ist für Unternehmen ein Kostenfaktor und zudem ein Treiber des Klimawandels. Das folgende Beispiel zeigt, wie KI-Lösungen Unternehmen künftig dabei unterstützen können, den Energieverbrauch von industriellen Anlagen zu optimieren und somit einen Beitrag zum Umweltschutz und zu mehr Lebensqualität zu leisten.
Immer mehr Rohstoffe werden verbraucht, um Produkte herzustellen, die später wieder entsorgt werden müssen. Diese „Wegwerfwirtschaft“ will das Konzept der Circular Economy durch eine Rücklauflogistik ersetzen: Produkte sollen länger nutzbar sein und am Ende ihrer Lebensdauer wiederaufbereitet oder recycelt werden. Die Suche nach innovativen Lösungen hierfür ist mit dem Streben nach neuen Geschäftsmodellen verbunden. Das folgende Schaubild zeigt, wie KI diese Zukunftsvision möglich machen kann.
Künstliche Intelligenz in der Industrie
acatech HORIZONTE
Die acatech Publikation beleuchtet die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für den Wirtschaftsstandort Deutschland. In anschaulichen Szenarien wird leicht verständlich aufgezeigt, wie KI-Systeme funktionieren, wo sie bereits in der Industrie zum Einsatz kommen und was in Zukunft möglich ist.
Unterstützung durch lernende Roboterwerkzeuge
In der Industrie unterstützen Roboter die Beschäftigten bereits seit langem bei ihrer Arbeit – indem sie ihnen monotone oder schwere Aufgaben abnehmen. Doch was ändert sich, wenn die Technik dabei selbstständig dazu lernt? In unserem Anwendungsszenario montieren Paula Nowak und ihr Team Kabelbäume mithilfe intelligenter Werkzeuge. Klicken Sie auf die markierten Stationen und werfen Sie einen Blick in die Zukunft der Arbeit.
Daten- und KI-basierte Wertschöpfungsnetzwerke: Potenziale für KMU
Durch die Verknüpfung und Analyse von Daten mit Hilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz lassen sich neue, individualisierbare Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Doch insbesondere der Mittelstand verfügt selten allein über die notwendigen Daten und Technologien, um datengetriebene Geschäftsmodelle zu realisieren. Zudem mangelt es in den Betrieben oft an den nötigen Kompetenzen in den Bereichen Datenanalyse und KI. Eine Kooperation mit Anbietern von Daten, Technologien und digitalen Plattformen kann helfen, das benötigte Wissen innerhalb sogenannter digitaler Wertschöpfungsnetzwerke aufzubauen und daraus Mehrwert zu schaffen.
Bedeutung von Wertschöpfungsnetzwerken
Wertschöpfungsnetzwerke entstehen durch das Aufbrechen von geordneten, teils starren Wertschöpfungsketten. Indem verschiedene Akteure flexibel und dynamisch zusammenarbeiten, werden innovative Leistungsangebote möglich. Voraussetzung dafür ist der sichere, weitgehend offene Datenzugang bzw. -austausch aus unterschiedlichen Quellen über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg.
Der übergreifende Zugang bzw. Austausch von Daten ist essentiell, um KI-Systeme zu trainieren. Basis dafür ist die Implementierung von Elektronik, Sensorik und Aktorik in Gegenständen (z.B. Geräten, Maschinen, Fahrzeugen) bis hin zu ganzen (Produktions-)Anlagen und deren Vernetzung über das Internet. Es entsteht so ein Internet der Dinge, in dem physische Objekte einen sogenannten Digitalen Zwilling erhalten.
Der Einsatz von KI ermöglicht es in nahezu alle Wirtschaftssektoren, aus den über die Sensorik generierten Daten wertvolle Informationen bzw. Erkenntnisse in Echtzeit zu gewinnen. Den Ausgangspunkt stellen somit die Hersteller oder Betreiber von digitalisierten Gegenständen und Systemen dar, die verschiedene Datenarten (z. B. Betriebs-, Umgebungs- oder Nutzungsdaten) bereitstellen. Die Kombination, Aufbereitung und KI-basierte Analyse erfolgt auf digitalen Plattformen, auf deren Basis über direkte bzw. indirekte Netzeffekte skalier- und individualisierbare neue Leistungsversprechen für Kunden entstehen können.
Die gemeinsame Nutzung von Daten unter Einsatz von KI-Methoden erfordert unterschiedliche Kompetenzen. Für deren Konfiguration und dynamische Anpassung ist es wichtig, bestehende technische, ökonomische und datenbezogene Lücken zu erkennen, den eigenen Wertbeitrag zu definieren und passende Kooperations- bzw. Kollaborationspartner über ihren möglichen Beitrag (z. B. Daten-, Technologie- und Kompetenzbereitstellung) zu identifizieren.
Umsetzung eines Wertschöpfungsnetzwerks
1.) Worauf ist bei der Konzeption zu achten?
- Do
- Don`t
- Transparenter Aufbau des Netzwerks mit klar formulierter Value Proposition aller Beteiligten
- Schlecht kommunizierte und abgestimmte Projekte
- Definition einer klaren Datenstrategie, welche Qualität, Relevanz und Verfügbarkeit der für die Wertschöpfung nötigen Daten festlegt
- Sammeln von Daten ohne klar definierte Kriterien und Methoden
- Strategisch und langfristig angelegte (Forschungs-) Kooperation zur Generierung von eigenen Kompetenzen im Bereich Data Science
- Komplette Auslagerung der KI-Kompetenzen an externe Unternehmen ohne kontinuierlichen Austausch und wechselseitige Abstimmung
- Agiler Roll-out des Produkts, um Hürden frühzeitig zu erkennen und das Produkt anpassen zu können
- Starre Festsetzung des Zeitplans und Festhalten an ursprünglichem Konzept
- Kontinuierliche Prüfung und Anpassung des Geschäftsmodells und geeigneter Finanzierungsmodelle, z. B. Revenue Sharing
- Festhalten an klassischen Geschäftsmodellen und Überzeugen der Netzwerkteilnehmer, das Investitionsrisiko selbst zu tragen
2.) Wie lässt sich das nötige Vertrauen bei den Partnern aufbauen?
- Do
- Don`t
- Verantwortungsvoller und transparenter Umgang mit sensiblen Daten der Netzwerkpartner, z. B. durch sorgfältige Auswahl der Webhoster
- Grundloses Aggregieren von Daten, absichtliche oder unabsichtliche Weitergabe an Dritte, Verwendung unseriöser Webhoster
- Befolgung des Prinzips der Datenschlankheit und Einsatz von technisch implementiertem Datenschutz, z. B. durch on-Edge- Konzepte
- Speichern möglichst aller Rohdaten der Netzwerkpartner und Auswertung an anderer Stelle
- Befolgen des White-Box-Prinzips, um Analyseergebnisse für andere Teilnehmer nachvollziehbar zu machen
- Verwendung von KI-Technologie mit nicht nachvollziehbaren Ergebnissen, die der User akzeptieren muss
3.) Welche Anforderungen an Technologie und Infrastruktur stellen sich?
- Do
- Don`t
- Orientierung an existierenden Dateiformaten oder Beteiligung an Standardisierungsprojekten, um Wertschöpfungsnetzwerk skalierbar zu gestalten
- Erstellung eines eigenen projektspezifischen Dateistandards als Konkurrenz zu existierenden Lösungen
- Abstimmung mit Netzwerkteilnehmern über Format und Qualität der Daten
- Händisches Data-Cleaning der geteilten Daten
- Auf Zielgruppe ausgerichtetes Interface der Datenplattform
- Technisch komplexe und ständig veränderte Benutzerumgebung
Beispiele für datenbasierte Wertschöpfungsnetzwerke
Die im Folgenden dargestellten Fallbeispiele sollen – insbesondere auch mittelständischen Unternehmen – praxisnah veranschaulichen, worauf es bei der Implementierung von daten- und KI-basierten Wertschöpfungsnetzwerken ankommt, wo Herausforderungen liegen und warum die Kooperation mit Partnern so wichtig ist.