KI in Europa: Wie positionieren wir uns im globalen Wettbewerb?

Milliardenschwere Investitionen in den USA, ein überraschend leistungsfähiges KI-Modell aus China: Die Dynamik im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist aktuell rasant. Wo steht Europa und wie können wir uns künftig international behaupten? Expertinnen und Experten der Plattform Lernende Systeme geben eine Einordnung.

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Die Ankündigung milliardenschwerer Investitionspakte für KI-Infrastruktur in den USA (Stargate) und günstige, leistungsfähige Sprachmodelle aus China (Deepseek) bringen neue Dynamik in den Markt für Künstliche Intelligenz. Deutschland und Europa stehen angesichts der aktuellen Entwicklungen vor großen Herausforderungen. Es bieten sich aber auch Chancen, im internationalen Wettbewerb um KI-Spitzentechnologie vorne mitzuspielen. Mit der Initiative „InvestAI“ hat die EU ein 200 Mrd. EUR Investitionspakt für KI ins Leben gerufen, das unter anderem sogenannte KI-Gigafabriken finanzieren und technologische Souveränität für Europa sichern soll.  Welche Möglichkeiten sich für Deutschland und Europa ergeben und wie sich die vorhandenen Potenziale in Forschung, Entwicklung und Anwendung gezielt nutzen lassen – dazu haben wir Expertinnen und Experten der Plattform Lernende Systeme befragt.

  • Ute Schmid
    Universität Bamberg | Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation

  • Katharina Morik
    Technische Universität Dortmund

  • Kristian Kersting
    Technische Universität Darmstadt

  • Marius Lindauer
    Leibniz Universität Hannover

  • Gitta Kutyniok
    Ludwig-Maximilians-Universität München

Generative KI und menschliche Expertise müssen sinnvoll zusammenspielen

„Menschliche Expertise und die Fähigkeit zur kritischen Beurteilung und Korrektur von generierten Inhalten ist unverzichtbar. Wir müssen darauf achten, dass generative KI und menschliche Expertise sinnvoll in einem Co-Creations-Prozess zusammenspielen, um die Zuverlässigkeit und Qualität von generierten Inhalten sicherzustellen.“

Prof. Dr. Ute Schmid | Universität Bamberg / Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation

Bei keiner anderen Technologie habe ich jemals erlebt, dass zeitgleich so viel Innovation in Grundlagenforschung, Technologieentwicklung und neuen Anwendungen entstanden ist, wie im Bereich Generative KI. Neue Entwicklungen in der Forschung sehe ich insbesondere in der Kombination von großen Sprachmodellen (Large Language Models, LLMs) mit klassischen Methoden der KI: Agentic LLMs nutzen Methoden aus dem Bereich der Multiagentensysteme, womit es möglich wird, komplexe Aufgaben zielorientiert und dynamisch zu lösen. Retrieval Augmented Generation (RAG) kombiniert LLMs mit wissensbasierten Methoden, womit die Genauigkeit und Robustheit von generierten Inhalten erhöht werden kann.

Erfreulich finde ich, dass es zunehmend auch leistungsstarke europäische und deutsche Sprachmodelle gibt, die eine stärkere Unabhängigkeit von US-amerikanischen und chinesischen Unternehmen ermöglichen. Modelle wie das französische Mistral und das deutsche Teuken-7B sind zudem open source, multilingual und beachten europäische Datenschutzrichtlinien. Zentrale Herausforderungen sind der zunehmend große Energiebedarf sowie die Abnahme von Qualität generierter Inhalte. Der beobachtete Rückgang an Zuverlässigkeit und Qualität ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass zunehmend generierte, nicht von Menschen geprüfte Inhalte, in die Modelle einfließen.

 

 

Während wir in 2024 vor allem ein starkes Anwachsen von Anwendungen generativer KI im Bereich Marketing und Kundenkommunikation erlebt haben, hoffe ich für 2025 auf mehr Entwicklungen in den Bereichen Produktion, Wissenschaft und Software-Entwicklung. Aktuelle Forschung im Bereich Large Action Models (LAMs) könnte dazu beitragen, dass die Steuerung von Robotern und komplexen Anlagen über natürliche Sprache möglich wird. Scientific LLMs können zu hilfreichen Werkzeugen in der Forschung, etwa in der Medikamentenentwicklung, werden.

In einem aktuellen Projekt am Bayerischen Institut für Digitale Transformation (bidt) untersuchen wir LLMs für die Generierung von Code aus natürlich-sprachigen Spezifikationen. Zum einen besteht hier die Herausforderung, wie die Qualität von generiertem Code evaluiert werden kann, zum anderen adressieren wir das Problem des möglichen Kompetenzverlusts von Informatik-Studierenden. Wir müssen darauf achten, dass generative KI und menschliche Expertise sinnvoll in einem Co-Creations-Prozess zusammenspielen. Dass ein von einem System generierter Inhalt von einem anderen generativen KI-System ohne menschliche Überprüfung genutzt oder bewertet wird, kann zu einer gefährlichen und absurden Loslösung von der Realität führen.

Geht es um sehr spezifische Produkte wie Maschinensteuerung, Medikamente oder Programmcode, kann eine kritische Prüfung generierter Inhalte nur stattfinden, wenn die prüfenden Menschen selbst hoch-kompetent im jeweiligen Bereich sind. Entsprechend werden neue didaktische Konzepte in allen Studiengängen relevant, die Kompetenzerwerb im Kontext der Nutzung von generativen Werkzeugen sinnvoll unterstützen. Menschliche Expertise und die Fähigkeit zur kritischen Beurteilung und Korrektur von generierten Inhalten ist unverzichtbar. Dies ist eine riesige Herausforderung für unser Bildungssystem.

Europa braucht ein starkes Netzwerk an KI-Zentren

„Wenn Europa jetzt die Dringlichkeit versteht, das Netzwerk der KI-Zentren in Europa erheblich zu verbessern und zu erweitern, und in Human- und Computerressourcen investiert - dann könnte der vermutlich von den meisten KI-Forscherinnnen und -Forschern lang gehegte Traum wahr werden und Europa sich gut zwischen USA und China platzieren.“

Prof. Dr. Katharina Morik | TU Dortmund/Lamarr Institut

Deutschland und Europa sind in der Forschung sehr gut aufgestellt. Das betrifft die gesamte Breite des maschinellen Lernens. In Deutschland ist gerade das Open Source Large Language Model (LLM) Teuken-7B publiziert worden, das für alle europäischen Sprachen trainiert wurde. LLMs sind aber nicht alles. Ich betrachte sie als Schnittstelle zu vielen unterschiedlichen Diensten. So wie das Internet erst durch die WWW-Schnittstelle und das Smartphone durch seine einheitliche „App“-Gestaltung den Durchbruch schafften, so sehe ich auch LLMs als Ermöglicher für viele Anwendungen. Spannend sind insbesondere Ansätze, die per LLM Handlungssysteme anstoßen - über Roboter im engeren Sinne hinaus bis hin zu automatischen Experimenten. Diese optimieren einmal das maschinelle Lernen selbst, bieten aber auch gerade in Medizin und Chemie Anwendungen von praktischer Relevanz.

Deutsche Unternehmen sind in der kommerziellen Umsetzung immer noch zögerlich, wenngleich sie vom Einsatz von KI enorm profitieren können. Sie verfügen mit ihren Daten über einen Schatz, der entsprechend aufbereitet, bessere große LLMs für die Anwendungen erzielt. Hier könnte Europa gegenüber USA und China trumpfen.

Besonders gut ausgewiesen ist Deutschland beim föderativen Lernen, dem sogenannten Edge AI. Vor allem in der Produktion und Logistik bietet Edge AI einen unschätzbaren Vorteil. Eingebettete Systeme nutzen Machine Learning, so dass direkt vor Ort in Echtzeit Daten gesammelt und zu optimierten Handlungen genutzt werden. Hierzu sind ressourcenschonende Algorithmen nötig und die Einbeziehung von Rechnerarchitekturen im Sinne von Software-Hardware-Co-Design.

 

 

Open Source ist wichtig für den Entwicklungsfortschritt. Aber nicht im Hinblick auf Daten. Europa und insbesondere Deutschland sollte seine Daten im Blick behalten. Aufgrund der Vielsprachigkeit und auch dank der starken industriellen Produktion hat Europa - hat Deutschland - einen entscheidenden Vorteil, den wir nicht aus der Hand geben sollten.

Der AI Act kann ein Alleinstellungsmerkmal sein, das für EU-Produkte spricht. In puncto Erklärbarkeit und Vertrauenswürdigkeit von KI ist Deutschland und auch Europa sehr gut aufgestellt. Es kommt nun darauf an, dass schnell und praxisnah Zertifizierungen realisiert werden. Hierzu gibt es bereits sehr gut ausgearbeitete Ablaufmodelle für Firmen beispielsweise bei Fraunhofer IAIS. Für die einzelnen Schritte in diesem Ablauf gibt es Bibliotheken zur Robustheit oder zum Energy-Scoring. Für die automatische Erzeugung von Tests gelernter Modelle und die verständliche Darstellung der Testergebnisse gibt es etwa das Care-Label Framework vom Lamarr-Institut. Wichtig ist hier die weitere Skalierung, und damit die Entwicklung vieler Best Practice Beispiele.

Die Förderung des maschinellen Lernens braucht bessere Strukturen.

Die Idee, eine europäische Vernetzung der Talente aufzubauen ist nicht neu. Es begann mit den Exzellenznetzwerken, in denen sich die Labore des maschinellen Lernens zu gezielten Diskussionen über Forschungsthemen, Projekte, Lehre und Ausbildung treffen konnten - etwa bei der ECML und dann ECMLPKDD. Die Exzellenznetzwerke waren ein Anschub zum Community Building.

Der nächste Schritt war die Idee von Zentren für maschinelles Lernen. Jedes Zentrum vereint exzellente Forschung, internationale Vernetzung, Best Practice, Graduiertenschulen und Computerressourcen für Experimente. Die enge Zusammenarbeit mit Unternehmen soll zu neuen industriellen Anwendungen und Neugründungen inspirieren. Auch werden hier Talente ausgebildet und in vielfältigen Karrieren als Leistungsträger – nicht zuletzt durch gute unbefristete Arbeitsverträge - gefördert. Eine Vernetzung dieser Hubs soll dem Austausch von Studenten und Vorlesungen dienen, die Zusammenarbeit in der Forschung fördern und eine gemeinsame Nutzung von Algorithmen, Codes und Daten ermöglichen.  Diese Idee wurde mit den KI-Zentren in Deutschland und Frankreich 2018 begonnen.

Allerdings hemmen diverse Rahmenbedingungen den weiteren Fortschritt, noch bevor die eigentlichen Ziele erreicht wurden: Zum einen müssen für einen weiteren Ausbau der Hubs ausreichend Computerressourcen zur Verfügung stehen und in vielfältigen Rechnerarchitekturen vorhanden sein, die Experimentierumgebungen ermöglichen. Die Einbindung in vernetzte Hubs wäre das viel berufene CERN der KI.

Zum anderen ist die Einbindung von Unternehmen für Best Practice Studien und die Förderung von Start-Ups nicht ausreichend unterstützt und zu kleinteilig in der Antragstellung. Hier werden langfristige Perspektiven und entsprechende Stellen benötigt. Dies betrifft auch Schulungen bei Unternehmen, Schulen und Lehrwerkstätten, die zum Aufgabenbereich eines Hubs zählen. KI.NRW ist ein Beispiel für eine Anlaufstelle, wie es sie an vielen Orten schon gibt – häufig aber nur als befristete Einzelprojekte.   

Schließlich müssen die internationalen und regionalen Vernetzungen, die jeder Hub aufgebaut hat, ausreichend und agil gefördert werden. Es geht um mehr als nette Treffen und Fotos für die Presse!

Wenn Europa jetzt die Dringlichkeit versteht, das Netzwerk der KI-Zentren in Europa erheblich zu verbessern und zu erweitern, und in Human- und Computerressourcen investiert - dann könnte der vermutlich von den meisten KI-Forscherinnnen und -Forschern lang gehegte Traum wahr werden und Europa sich gut zwischen USA und China platzieren.

Die Zukunft der KI liegt nicht in Gigantomanie, sondern in Vernunft

„Der KI-Wettbewerb ist noch nicht entschieden. Es liegt an Deutschland und Europa, eine Strategie zu verfolgen, die nicht nur auf kurzfristige Effekte durch Skalierungen setzt, sondern auf nachhaltige, durchdachte und langfristig tragfähige KI-Technologien.“

Prof. Dr. Kristian Kersting | TU Darmstadt/hessian.AI/DFKI

Deep Learning hat in den letzten zehn Jahren bahnbrechende Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz ermöglicht. Dennoch weisen heutige KI-Systeme erhebliche Schwächen auf: Sie erfordern enorme Rechenressourcen, was zu einer Marktdominanz weniger großer Unternehmen führt. Zudem fehlt ihnen die Fähigkeit zum logischen Denken und zur flexiblen Anpassung an unbekannte Situationen. Statt kontinuierlich zu lernen, müssen sie aufwendig nachtrainiert und angepasst werden. Ein treffendes Zitat von Alan Kay, dem Turing-Preisträger und Erfinder der objektorientierten Programmierung, bringt die Problematik großskaliger KI-Modelle auf den Punkt: „Sie gleichen einer ägyptischen Pyramide, aufgebaut aus Millionen von Steinen, übereinandergeschichtet ohne strukturelle Integrität – errichtet mit purer Gewalt und Tausenden von Sklaven.“ Dies offenbart die fundamentale Schwäche der gegenwärtigen KI-Entwicklung: Sie beruht auf schierer Rechenleistung statt auf echter struktureller Intelligenz.

Doch die jüngsten Entwicklungen rund um DeepSeek verdeutlichen, dass der technologische Wettlauf noch nicht entschieden ist. Die Zukunft der Künstlichen Intelligenz liegt nicht in der reinen Skalierung, sondern in einer „vernünftigen” KI. Ansätze wie Test-Time Compute und Mixture-of-Experts zeigen, dass die wahre Chance in der Entwicklung flexibler, adaptiver und ressourcenschonender KI-Systeme liegt. Auch wir Menschen denken situationsabhängig und effizient: Für einfache Fragen wie „Was ist 2+2?“ antworten wir direkt, ohne großen Aufwand. Doch bei komplexen Fragen, etwa zur wirtschaftlichen Auswirkung des Klimawandels, halten wir inne, sammeln Fakten und verknüpfen verschiedene Aspekte, bevor wir eine fundierte Antwort formulieren.

 

 

Vernünftige KI ermöglicht die intelligente Kombination verschiedener KI-Methoden zu multiparadigmatischen Systemen. Vernünftige KI-Systeme nutzt eine angemessene Menge an Ressourcen und basiert auf hochwertigen Daten. Sie ist nicht nur leistungsfähig, sondern auch in der Lage, sich an neue Situationen anzupassen. Ähnlich wie ein köstlicher Kuchen nicht nur durch viele Zutaten (Daten) und einen großartigen Backofen (Modell und Infrastruktur) entsteht, sondern durch ein durchdachtes Rezept (das Zusammenspiel intelligenter Algorithmen), müssen auch KI-Systeme sinnvoll orchestriert werden.

Deutschland und Europa haben in dieser Entwicklung große Chancen. Während Firmen in den USA und China aktuell auf Skalierung setzen, könnte Europa mit einer „vernünftigen” KI einen eigenen Weg beschreiten. Eine solche Strategie wäre nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern würde auch der wachsenden Kritik an den ökologischen und sozialen Kosten der KI-Industrie Rechnung tragen. Der steigende Energieverbrauch von Rechenzentren ist längst nicht mehr zu ignorieren. Gleichzeitig zeigt sich, dass nicht nur riesige Sprachmodelle, sondern auch spezialisierte KI-Algorithmen enormen Nutzen in Wissenschaft, Medizin und Industrie bringen. Hier könnten europäische Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit innovativen, hochspezialisierten Technologien punkten.

Investitionen sollten gezielt in Schlüsselbereiche wie neurosymbolische KI, adaptive Lernverfahren und hybride Modelle gelenkt werden. Die Kombination aus symbolischen Systemen und neuronalen Netzen verbessert Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit von KI-Entscheidungen – essenziell für regulatorische Anforderungen und gesellschaftliche Akzeptanz. Multimodale Systeme, die verschiedene Datenquellen verknüpfen, bieten zudem vielversprechende Möglichkeiten. Die Zukunft liegt in der intelligenten Kombination bestehender Technologien, um ressourcenschonend zu besseren Ergebnissen zu kommen.

Der KI-Wettbewerb ist noch nicht entschieden. Es liegt an Deutschland und Europa, eine Strategie zu verfolgen, die nicht nur auf kurzfristige Effekte durch Skalierungen setzt, sondern auf nachhaltige, durchdachte und langfristig tragfähige KI-Technologien. Die Zukunft der KI liegt nicht in Gigantomanie, sondern in Vernunft.

Potenziale Mensch-zentrierter und nachhaltiger KI zum Wohl der Gesellschaft nutzen

„Wir sollten eine führende Rolle in der Entwicklung und Anwendung von mensch-zentrierter und nachhaltiger KI einnehmen. Durch die Kombination von exzellenter Forschung, einer starken Industrie und einem Fokus auf Ethik und Nachhaltigkeit kann Deutschland zu einem Vorreiter im Bereich der KI werden.“

Prof. Dr. Marius Lindauer | Leibniz Universität Hannover

Künstliche Intelligenz (KI) ist eine der transformativsten Technologien unserer Zeit. Sie birgt das Potenzial, unser Handeln, unsere Wirtschaft, unsere Wissenschaft und unsere Gesellschaft grundlegend zu verändern. Als Professor für Maschinelles Lernen beschäftigt mich die Frage, wie wir das Potenzial der KI, insbesondere im Hinblick auf Demokratisierung von KI (durch AutoML), mensch-zentrierter KI und Nachhaltigkeitsaspekte, in Deutschland, Europa und auch weltweit bestmöglich nutzen können.

Meine Vision für die Zukunft der KI in Deutschland und Europa ist eine Gesellschaft, in der KI-Technologien verantwortungsvoll und zum Wohl aller eingesetzt werden. Wir sollten eine führende Rolle in der Entwicklung und Anwendung von mensch-zentrierter KI und nachhaltiger KI einnehmen. Durch die Kombination von exzellenter Forschung, einer starken Industrie und einem Fokus auf Ethik und Nachhaltigkeit kann Deutschland zu einem Vorreiter im Bereich der KI werden.

Um diese Vision zu verwirklichen, ist eine nationale KI-Strategie erforderlich, die die oben genannten Ziele in den Vordergrund stellt und mit wachstumsbeschleunigenden Maßnahmen flankiert. Die Politik muss noch mehr die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, z.B. durch die stärkere Förderung von KI-Ökosystemen (bspw. für die schnelle Entwicklung von KI-Anwendungen durch AutoML) und eine Weiterentwicklung von ethischen Leitlinien für den Einsatz von KI. Die Wirtschaft muss in KI-Forschung und -Entwicklung in der Breite investieren und KI-Lösungen in ihre Produkte und Dienstleistungen integrieren. Gleichzeitig muss die Gesellschaft die Chancen und Herausforderungen der KI verstehen, und aktiv an der Gestaltung der KI-Zukunft mitwirken.

 

 

Aktuelle Dynamik der KI-Forschung und -Entwicklung

Fortschritte im Skalieren von KI, insbesondere Maschinelles Lernen auf Grundlage von neuronalen Netzen wie Transformern, hat in den letzten Jahren zu beeindruckenden Ergebnissen in Bereichen wie der Bilderkennung, der Sprachverarbeitung und der Robotik geführt. Große Sprachmodelle, wie ChatGPT, Llama, Gemini oder Le Chat von Mistral, haben gezeigt, dass KI in der Lage ist, menschenähnliche Texte zu generieren und erstaunlich komplexe Aufgaben zu lösen.

Die Popularität und Bedeutung von AutoML ist in den letzten Jahren durch verschiedene open-source Packages und Cloud-Services stark gestiegen. Während es noch vor ein paar Jahren eines der Hypethemen war, sieht man, dass es nun in den Produktivitätsumgebungen angekommen ist. AutoML ermöglicht es, die Entwicklung von KI-Modellen zu automatisieren und damit die Effizienz in der Entwicklung zu steigern. Es unterstützt Entwicklerinnen und Entwickler mit wenig KI-Fachwissen ebenso wie hochqualifizierte KI-Experten, mühsame und aufwendige Aufgaben zu automatisieren, um schneller, bessere Lösungen zu finden.

Ein wichtiger Aspekt und Trend, den die Forschung in Deutschland darüber hinaus im Fokus hat, ist die Mensch-zentrierte KI. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt der KI-Entwicklung und zielt darauf ab, KI-Systeme zu schaffen, die transparent, nachhaltig und nutzerfreundlich sind. Mensch-zentrierte KI erfordert ein Umdenken in der KI-Entwicklung, weg von der reinen Automatisierung hin zur Augmentierung und Erweiterung menschlicher Fähigkeiten. Auch im Sinne des europäischen Werteverständnis ist das der Weg, den KI in Zukunft nehmen muss.

Deutsche KI-Forschung im internationalen Vergleich

Im internationalen Vergleich ist die KI-Forschung in Deutschland gut aufgestellt, insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung. Deutschland belegt bei der Anzahl der KI-Publikationen einen Spitzenplatz im Verhältnis zu der Anzahl an Forschenden. Deutschland hat eine lange Tradition in der KI-Forschung und verfügt über exzellente Universitäten und Forschungsinstitute, wie die KI-Exzellenzzentren, aber auch andere starke Zentren, wie hessian.ai, das KI-Zentrum an der RWTH Aachen oder das L3S KI-Zentrum in der Region Hannover und Braunschweig. In Deutschland wird zudem ein Fokus auf die ethischen und nachhaltigen Aspekte von KI gelegt, was essenziell sein wird, damit KI in der Breite auf Akzeptanz stoßen wird. Darüber hinaus verfügt Deutschland über eine starke Industrie und eine führende Position im Medizinsektor - Bereiche, in denen KI-Lösungen schon heute eingesetzt werden. In diesen Sektoren hat Deutschland im Vergleich zu den USA und China Vorteile, da hier große Mengen an Daten und Expertise vorhanden sind. Dieses Potenzial gilt es zu heben.

Dagegen zeigen sich die Schwächen Deutschlands im internationalen Vergleich vor allem bei Investitionen, Risikobereitschaft und Bürokratie. Im Vergleich zu den USA und China investiert Deutschland weniger in KI-Forschung und -Infrastruktur. Darüber hinaus ist die deutsche Kultur zu oft von einer hohen Risiko- und Fehleraversion geprägt, was die Entwicklung und Anwendung von KI-Innovationen hemmt. Und nicht zuletzt erschwert die Bürokratie in Deutschland die Gründung und das Wachstum von KI-Startups.

Vor allem müssen die Investitionen in KI-Forschung und -Entwicklung deutlich erhöht werden, um international Schritt halten zu können, beispielsweise durch die Förderung von KI-Clustern und die Bereitstellung von Risikokapital für KI-Startups. Auch die Aus- und Weiterbildung im Bereich KI müssen disziplinübergreifend in allen Fachbereiten ausgebaut werden, um den Bedarf an KI-Experten zu decken.  Letztendlich müssen auch die ethischen und nachhaltigen Aspekte von KI in allen Phasen der Entwicklung und Anwendung berücksichtigt werden. Dies kann zum Beispiel durch die weitere Entwicklung und Umsetzung von KI-Standards und die Förderung von Forschung im Bereich der ethischen und nachhaltigen KI geschehen.

Das Potenzial von AutoML, Mensch-zentrierter KI und Nachhaltigkeit nutzen

Um im weltweiten KI-Wettrennen nach vorne zu kommen, sollte Deutschland gezielte Maßnahmen ergreifen und seine Potenziale richtig nutzen. Automatisiertes Maschinelles Lernen (AutoML), Mensch-zentrierte KI und Nachhaltigkeit sind wichtige Aspekte der KI-Zukunft in Deutschland.

AutoML kann die Entwicklung von KI-Modellen beschleunigen und vereinfachen, was insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen von Vorteil ist, da nicht riesige KI-Teams aufgebaut werden müssen. Durch die Automatisierung von Aufgaben wie der Modellauswahl und der Hyperparameteroptimierung können Unternehmen KI-Lösungen schneller und kostengünstiger entwickeln und einsetzen.

Mensch-zentrierte KI stellt sicher, dass KI-Systeme den Bedürfnissen und Werten der Menschen entsprechen und zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen, sowohl auf der Basis des Individuums, als auch für die gesamte Gesellschaft. Anstatt Menschen durch Maschinen zu ersetzen, geht es darum, KI-Systeme zu entwickeln, die menschliche Fähigkeiten ergänzen und erweitern.

Nachhaltige KI-Lösungen können dazu beitragen, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. KI kann z.B. eingesetzt werden, um den Energieverbrauch zu optimieren, die Ressourceneffizienz zu steigern und nachhaltige Lieferketten zu schaffen.

Die Zukunft der KI in Deutschland ist vielversprechend. Durch gezielte Maßnahmen und die Nutzung des Potenzials von AutoML, Mensch-zentrierter KI und Nachhaltigkeit kann Deutschland im weltweiten KI-Wettrennen eine führende Rolle einnehmen und die KI-Technologie zum Wohl der Gesellschaft einsetzen. Eine nationale KI-Strategie, die die Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft fördert, ist der Schlüssel zur Verwirklichung dieser Vision. Nur durch gemeinsames Handeln können wir sicherstellen, dass KI in Deutschland verantwortungsvoll und zum Nutzen aller eingesetzt wird.

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Weitere Einschätzungen

Prof. Dr. Irene Bertschek

Prof. Dr. Gitta Kutyniok

Prof. Dr. Ahmad-Reza Sadeghi