"Wir benötigen eine pragmatische Datenschutz-Grundverordnung-Umsetzungsverordnung"

Die Plattform Lernende Systeme ist 2017 vom Bildungsministerium für Bildung und Forschung gegründet worden. Sie vernetzt Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft rund um das Thema KI. Derzeit leistet die Plattform auch Unterstützung, denn die hiesige Wirtschaft fremdelt noch mit KI: Deutsche Unternehmen sitzen zwar auf einen immensen Schatz an Maschinen- und Betriebsdaten, die sie mit KI wirtschaftlich nutzbar machen könnten - sie befassen sich aber noch zu wenig damit. In einem Bericht stellt die Arbeitsgruppe Geschäftsmodellinnovationen der Plattform Lernende Systeme dazu Praxisbeispiele vor und gibt Handlungsempfehlungen für Wirtschaft und Politik. c't hat im Rahmen des Gipfels mit den beiden Leitern der Gruppe, Prof. Dr. Susanne Boll (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) und Dr. Wolfgang Faisst (SAP SE), über den KI-Standort Deutschland und Gaia-X gesprochen.

Wie sehen Sie die deutsche Wirtschaft aufgestellt in Bezug auf KI?

Susanne Boll und Wolfgang Faisst

Faisst: In der Forschung brauchen wir uns nicht zu verstecken. Aber die Umsetzung in die Praxis, die Kommerzialisierung, das ist unser Schwachpunkt.

Boll: Ich denke, wir haben in Deutschland noch einen sehr großen Anteil an Unternehmen, vielleicht bis hin zu über 60 Prozent, die sich mit dem Thema nicht oder nicht ausreichend beschäftigt haben, auch weil sie gewissen Mythen über KI nachhängen, etwa: Wenn ich keine großen Datenmengen habe, ist KI nichts für mich. Wenn ich ein kleines Unternehmen bin, ist KI nichts für mich. KI machen doch nur große amerikanische Plattformen.

Faisst: Und wenn sie sich damit beschäftigen, dann stoßen sie als erstes auf den Datenschutzbeauftragten, der das Gesetz dann runterdekliniert und erst mal vor den Strafen warnt. Wir benötigen so etwas wie eine Datenschutz-Grundverordnung-Umsetzungsverordnung, die Startups, Mittelständler und Vereine nicht abschreckt. Sie müssen praktische Hinweise erhalten, wie sie Pseudonymisierung und Anonymisierung legal ausgestalten - und nicht nur Verbote. Man sollte die Strafen für kleinere Unternehmen zunächst aussetzen.

Dazu passt ja auch der Vorstoß von Minister Altmaier, dass man einen sicheren Datenhafen schafft. Wie stehen Sie dazu?

Boll: Dass man mit so einer Plattform wie Gaia-X nicht nur einen ökonomischen Aspekt, sondern auch einen wertebasierten europäischen Aspekt trifft, finde ich hervorragend.

Faisst: Die Sicht teile ich. Allerdings wird die Initiative bei den Unternehmen und Endverbrauchern nur dann erfolgreich sein, wenn auch die Kostenposition und der Service-Level erreicht werden, die man von den US-Playern und chinesischen Playern gewohnt ist.

Interview erschienen in:

c't
Nr. 24/2019

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