Eingebettete Systeme: KI macht Produkte schlau
Ein Expertenbeitrag von Dr. Markus Schnell, Director Software and Tools bei der Infineon Technologies AG
Künstliche Intelligenz wird seit Monaten kontrovers diskutiert. Es ist von selbstfahrenden Autos die Rede, von Jobverlust, von Kampfrobotern, von Maschinen, die uns genau kennen und unsere menschlichen Schwächen geschickt ausnutzen. Lassen Sie uns die Science-Fiction Brille abziehen und stattdessen betrachten, was es in puncto KI heute schon gibt.
Wir sind im Alltag umgeben von unzähligen so genannten eingebetteten Systemen (embedded systems). Das sind Computer, die nicht auf dem Schreibtisch stehen, sondern im Haushalt oder in der Industrie ihren Dienst tun und dort vieles angenehmer und bequemer machen. Und oft auch noch Energie sparen. Diese Systeme finden sich zum Beispiel in Wasch- und Spülmaschinen, Ultraschallgeräten, Brandmeldern, elektrischen Zahnbürsten, Verpackungsautomaten und vielem mehr. Sie haben – im übertragenen Sinne – Augen, Ohren und mittlerweile sogar Nasen. Kurz: Sensoren. Manchmal haben sich auch Hände, Aktoren genannt.
In der Vergangenheit übernahmen diese Sensoren einfache Aufgaben. Ein Gassensor, wie er in Luftreinigern oder Feuermeldern zum Einsatz kommt, kann etwa das Vorhandensein und die Konzentration eines einzelnen Gases (z.B. Kohlendioxid) erkennen. Ab einer bestimmten Gaskonzentration löst er einen Alarm aus. Dafür nutzt der Gasmelder bestimmte physikalische Phänomene aus, die analoge Signale erzeugen. Für diese, normalerweise recht verrauschten Signale mussten Ingenieurinnen und Ingenieure Algorithmen entwerfen, die aus dem Signal ein zuverlässiges Kriterium für eine Alarmmeldung machten. Funktioniert hat das nur für jeweils ein bestimmtes Gas.
Heutzutage sind die technischen Erwartungen an einen Gasmelder komplexer. Er soll nicht nur ein Gas erkennen, sondern verschiedene. Der Hersteller möchte sich dabei nicht mit der Physik der unterschiedlichen Sensor-Hardware auseinandersetzen, sondern bereits fertige Systemkomponenten einsetzen.
Künstliche Intelligenz – oder besser: Maschinelles Lernen -- ermöglicht es nun auf vergleichsweise einfache Weise, Algorithmen zu entwickeln, die mehrere Gase voneinander unterscheiden können. Anstatt den Algorithmus zum Bestimmen des Gasgemisches selbst zu entwerfen, arbeiten Ingenieurinnen und Ingenieure nun daran, die passenden Daten zu sammeln und dem System die jeweils richtigen Gaskonzentrationen zu zeigen. Das System generalisiert dann von alleine die richtigen Antworten.
Diese Fähigkeit von Systemen, mit Hilfe von KI zu lernen, hilft uns bei Problemen, die vorher nicht oder nur mit sehr viel Aufwand lösbar waren. Techniken der Künstlichen Intelligenz bieten in der Industrie bereits heute einen echten Mehrwert.
Unsere Ingenieurinnen und Ingenieure werden dadurch nicht überflüssig. Ihre Aufgabe verlagert sich auf eine andere Ebene: Zum einen müssen sie passende Daten zum Trainieren der Algorithmen sammeln. Zum anderen wird die Verifikation – also das Prüfen und Testen – des Gesamtsystems sowie der Nachweis seiner Robustheit ganz entscheidend.
Dies ist bereits heute eines der wichtigsten Elemente der Produktentwicklung: das so genannte Systems und Software Engineering. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Rechenarbeit von einem klassisch entworfenen oder einem gelernten Algorithmus durchgeführt wird. Denn die Produkte werden entwickelt, um unsere menschlichen Bedürfnisse nachzukommen. Und die Entscheidung, was wir wollen, kann uns kein Algorithmus abnehmen.
Zum Bericht „Neue Geschäftsmodelle durch Künstliche Intelligenz“ der Plattform Lernende Systeme:
Gastbeitrag erschienen auf:
www.wissenschaftsjahr.de
08. November 2019